Wenn Herr Otmar malt, steigt er aus seinem kranken Körper aus und wandelt seine Gefühle in Farben und Formen um. Mystische Welten entstehen unter seinen Händen auf der Leinwand. Herr Otmar malt gegen die Einsamkeit, in einem geschützten Raum – seinem Zuhause. Betreut, behütet und umsorgt vom Palliativen Hospizteam des CS Hospiz Rennweg.
Die Kraft der Farben spüren
Der Duft, den Herr Otmar gleichermaßen liebt, ist der von gerösteter Leber und der von frischer Farbe.
In seiner Wohnung riecht es tagein tagaus, als würde gerade neu ausgemalt werden. Es sind die vielen Farbtöpfe, die die restliche Einrichtung längst verdrängt haben, denen lackiger, beißender Geruch entströmt. Herrn Otmar kitzelt der Geruch köstlich in der Nase.
Während er seinen Pinsel in die Farbe taucht, atmet er tief ein und lächelt. Wie ein Dirigent tanzt seine Hand über die Leinwand. An einer Stelle sanft und zart, an einer anderen wild und ungestüm. „Das hängt davon ab, wie es in mir zugeht, wie ich mich fühle und was gerade heraus muss“, sagt er. Seit zwei Jahren malt Herr Otmar fast täglich aus einem inneren Bedürfnis heraus. Seit er erfahren hat, dass er Krebs hat, hat er sich dazu entschlossen seinen Abschied zu gestalten und nicht tatenlos dahinzuschwinden und verbittert auf den Tod zu warten.
Vom Aufgefangen werden
„Ich fühle mich gut aufgehoben“, sagt er. Das Netz des CS Hospiz Rennweg hält ihn sanft in der Balance. Herr Otmar ist geborgen. Er wird gepfl egt, seine Schmerzen werden gelindert, sein Körper und sein Geist behutsam gefordert. Zerbrechlich wirkt er, nur seinen starken Händen, die so kraftvolle bunte Welten voller Fabelwesen erschaff en können, scheint die Krankheit nichts anzuhaben.
„Er ist ein nachdenklicher Mensch, der sein Herz nicht auf der Zunge trägt“, erzählt Rudi, ehrenamtlicher Lebens-, Sterbe und Trauerbegleiter der CS. Rudi hält Herrn Otmars Seele im Gleichgewicht. Einmal in der Woche besucht er ihn. Meist sitzen sie dann im Wohnzimmer von Herrn Otmar, nebeneinander wie zwei Taubenfütterer auf der Bank, betrachten und besprechen das Gemälde, das Herr Otmar direkt an die Wand gemalt hat. Freskenhaft bedeckt das Bild die Fläche von der Größe einer Doppelmatratze. Da tummeln sich Frauenwesen mit Schlangenkörpern, ein grüner Tigerkopf, ein aus Wasserfällen errichtetes Schloss, ein Tor zum Himmel, ein Mann mit drei Augen. Das Bild ist Herrn Otmars Meisterwerk. Es enthält alles, was ihn ausmacht. Seine Lebensstationen, seine Ängste, seine Verluste und seine Hoff nung. Vieles, was es da zu sehen und zu besprechen gibt.
Ein Verabschieden aus dieser Welt in Würde und so schmerzfrei wie möglich, das ist das Ziel der Begleitung im CS Hospiz Rennweg. Wir lindern physische und psychische Schmerzen so gut wie nur irgend möglich mit allem in unserer Macht stehenden. Die CS Hospizbegleitung ist nur durch Ihre Hilfe möglich! Mit Ihrer Spende ermöglichen Sie Lebensqualität bis zuletzt.
Was bleibt von mir?
„Bei der Vorstellung, dass das Bild vom nächsten Bewohner der Wohnung übermalt wird, bricht mir das Herz“, sagt Rudi. Er hat schon nachgeforscht, dass sich die Rigipswand ohne Beschädigung herausschneiden lassen müsste. Herrn Otmar gefällt die Idee. „Es wäre schön, wenn es gelingen würde, das Bild zu retten, um es irgendwo aufzuhängen, wo es möglichst viele Menschen anschauen können“, sagt er, „vielleicht kann es noch etwas bewirken.“
Für ihn ist das Malen wie ein Kokon, in den er einsteigt und von innen abschließt. Geschützt vor der Einsamkeit, der es nie gelungen ist, ihn zu holen. Wenn die Gefühle und Stimmungen aus ihm herausfließen und als Totenkopf, Pegasus oder Harlekin Gestalt annehmen, empfi ndet er Zufriedenheit, etwas geschaff en zu haben.
Bereitmachen ohne Reue
Wehmütig oder gar traurig sei er nicht, dass er erst durch die Krankheit wieder zu seinem Hobby aus der Kindheit, der Malerei, zurückgefunden habe – „ich war sehr gerne Koch von Beruf, und ich habe auch gerne gut gegessen. Jetzt bekomme ich mein Essen über eine Sonde.“ Leid tue es ihm nur, dass er seine Leibspeise nicht mehr genießen könne. „Einmal noch geröstete Leber riechen“, sagt er, „das wünsche ich mir“.
Glücksmomente vor dem Aufbruch
Rudi bringt die Leber, brät sie in der Küche von Herrn Otmar ab, bis es zischt und raucht. Alle Fenster bleiben geschlossen, das dampfende Stück Fleisch übertrumpft sogar den Geruch der Malfarben.
Herr Otmar sitzt auf seiner Bank im Wohnzimmer,die Finger ineinander verflochten, vor sich das Bild seines Lebens, neben sich sein Freund Rudi, eingehüllt in den Duft der gerösteten Leber. Zufrieden.
Christiane Tauzher
Am 9. Dezember 2020 wurden die Kunstwerke am CS Rennweg unter Einhaltung aller Verordnungen und Hygienemaßnahmen ausgestellt und von unseren Bewohner*innen und Mitarbeiter*innen besichtigt.
Mit dieser Ausstellung erfüllte das Ehrenamtsteam den letzten Wunsch von Herrn Otmar.
CS Hospiz Rennweg – Hospizbegleitung durch die CS Caritas Socialis
Der Kostbarkeit des Lebens im Sterben Raum und Zeit geben. Das CS Hospiz Rennweg umfasst sechs Einrichtungen unter einem Dach: Beratungsstelle, Mobiles Palliativteam, Palliativstation, Hospizteam der Ehrenamtlichen, Roter Anker und Begleitung in der Trauer. Dank der Kooperation mit dem Krankenhaus der Barmherzigen Schwestern Wien, der Unterstützung der Stadt Wien und des Fonds Soziales Wien wird ein Teil der Kosten getragen.
Im letzten Jahr wurden insgesamt 1.379 Personen im CS Hospiz Rennweg betreut und begleitet. Die Beratungsstelle hat 2.799 Beratungsgespräche geführt. Das 114-köpfige Hospizteam der Ehrenamtlichen hat in 9.106 Stunden Menschen in schwierigen Lebenssituationen begleitet.
Wir danken unseren SpenderInnen und UnterstützerInnen: Bankhaus Schelhammer & Schattera AG, Gebrüder GUR GmbH, KTHE - Kobza and The Hungry Eyes, Kunst hilft, Novartis Pharma GmbH, OENB, ORF, Österreichische Lotterien, RSC Raiffeisen Service Center GmbH, Schütz Marketing Services, Shell Austria GmbH, SV (Österreich) GmbH, Wiener Philharmoniker, Wild GmbH
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